Im Visier der Onlinespione und Cyberkrieger

Firmen werden immer häufiger Ziel von Angriffen übers Internet

Berlin, 28. August (AFP) – Wenn Hans-Georg Maaßen sein Diensthandy präsentiert, fühlen sich die Beobachter um viele Jahre zurückgeworfen. Das kleine Nokia-Telefon des Verfassungsschutz-Präsidenten kann mit modernen Smartphones nicht mithalten. „Meine Mitarbeiter waren so bösartig, die Kamera zu zerstören. Ich kann damit auch nicht im Internet surfen“, erzählt er. Und trotzdem habe sein Handy 2000 Euro gekostet. Das wichtige: Es sei ein „Kryptohandy“ – die Telefonate könnten also nicht abgehört werden.

Maaßen warb damit am Mittwoch in Berlin für mehr Sicherheitsbewusstsein bei Unternehmen. Tatsächlich musste die Wirtschaft in letzter Zeit immer wieder erkennen, dass sie Angriffsziel für Spionage oder Sabotage sein kann. Firmen können dabei ins Visier von Konkurrenzunternehmen oder Geheimdiensten geraten, die an ihrem Know-how interessiert sind. Getroffen werden können sie aber auch von politisch motivierten Angriffen: Hinter den Cyberangriffen auf die renommierte US-Zeitung „New York Times“ und den Kurzbotschaften-Dienst Twitter vom Dienstag stehen vermutlich systemtreue Hacker aus Syrien.

Oft geschieht Spionage und Sabotage noch ganz klassisch, sagt Maaßen: Geheimdienste schleusen ihre Leute in Firmen ein, oder sie bestechen Mitarbeiter, damit diese die Geschäftsgeheimnisse verraten. Viel einfacher sei es für Kriminelle und Spione aber häufig, ein Unternehmen über das Internet anzugreifen: Solche Angriffe werden Maaßen zufolge oft nicht einmal bemerkt. Besonders häufig gehen solche Cyberattacken demnach von China und Russland aus. In vielen Fällen gehe es darum, an Firmengeheimnisse zu gelangen. Doch häufig geht es einfach um Sabotage.

So wie bei der „New York Times“. Die Internetseite der US-Zeitung war nach dem Angriff von Dienstagabend auch am Mittwochnachmittag (MESZ) noch nicht wieder zu erreichen. Bei Twitter wiederum attackierten die Hacker einen Server des Unternehmens, den Nutzern wurden nach Unternehmensangaben Fotos zwischenzeitlich nicht angezeigt.

Zu dem Angriff bekannte sich die „Syrian Electronic Army“ (SEA). Die Unterstützer des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad werfen arabischen und westlichen Medien vor, „falsche Informationen“ über die Ereignisse in Syrien zu verbreiten. Frühere Angriffe der SEA richteten sich unter anderem gegen die Nachrichtenagenturen AFP und AP, die britische BBC und die „Financial Times“.

Besonders wirksam war die Cyberattacke auf AP Ende April: Dabei verbreiteten die Hacker über das Twitter-Konto der Nachrichtenagentur die Fehlinformation: „Zwei Explosionen im Weißen Haus, Obama verletzt.“ Die US-Börse stürzte daraufhin kurzzeitig ab. So etwas kann die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.

Auch islamistische Gruppen überlegten derzeit Strategien, wie sie westliche Staaten und Unternehmen über das Internet angreifen könnten, sagt Verfassungsschutz-Präsident Maaßen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schätzte die Schäden für die deutsche Wirtschaft durch Wirtschaftsspionage und Sabotage am Mittwoch auf 50 Milliarden Euro. Allerdings sei die Dunkelziffer groß, denn viele Firmen meldeten Angriffe den Behörden nicht.

Verbessern soll die Zusammenarbeit von Behörden und Wirtschaft jetzt die Arbeit an einer nationalen Strategie zum Wirtschaftsschutz. Eingerichtet wird dafür zunächst eine gemeinsame Steuerungsgruppe von Staat und Wirtschaft, zudem soll eine Koordinierungsstelle für die Sicherheitsbehörden zu Fragen des Wirtschaftsschutzes im Innenministerium geschaffen werden. Das Handeln einzelner Akteure „reicht nicht aus, um globale Spionageangriffe abzuwehren“, sagt Maaßen.

Deshalb appelliert der Verfassungsschutz-Präsident an die Unternehmen, ihre Sicherheit selbst ernst zu nehmen: „Mein Eindruck ist: In der deutschen Wirtschaft ist Sicherheit zwar formal wichtig, aber es ist ein Kostenfaktor.“ Auch das sei ein Grund, warum sich viele deutsche Manager wohl nicht vorstellen könnten, von ihrem iPhone auf ein teures Kryptohandy mit minimalen Funktionen umzustellen.