Der brüllende Clown zieht ins Parlament
Fast jeder fünfte Italiener stimmt für den Komiker Grillo
Berlin, 25. Februar (AFP) – Den Politclown Silvio Berlusconi erleben die Italiener seit Jahren, nun haben sie auch noch einen Clown zum Politiker gemacht: Knapp 20 Prozent der Stimmen haben der Komiker Beppe Grillo und seine Bewegung Fünf Sterne (M5S) Prognosen zufolge bei der Parlamentswahl erhalten. Fast jeder fünfte Italiener hat aus der Abstimmung damit eine Protestwahl gemacht – denn Grillo steht für die Ablehnung der politischen Klasse Italiens.
Seine Karriere beginnt der heute 64-Jährige beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen Rai in den 70er Jahren. Als Komiker hat Grillo häufig die etablierten Parteien im Visier. Weil er inzwischen auch die Medien des Landes weitgehend ablehnt, setzt er mittlerweile voll und ganz aufs Internet: Seine Blog ist der meistgelesene Italiens.
Die Kritik als Künstler reicht Grillo irgendwann nicht mehr, deshalb steigt er in die Politik ein. Ab 2007 organisiert er Massendemos gegen die politische Klasse unter dem Titel „Vaffanculo Days“, die „Leck-mich-am-Arsch-Tage“. 2009 gründet er die Sammlungsbewegung Fünf Sterne. Die finanziert der als Komiker zum Millionär gewordene Wuschelkopf vor allem aus eigener Tasche: „Erhält keine öffentliche Finanzierung“, prangt auf der Internetseite neben dem Parteilogo.
Der Erfolg kommt schnell: Bei den Regionalwahlen in Sizilien im Oktober erhält die Partei 18 Prozent der Stimmen, und bei der Bürgermeisterwahl im konservativen Parma setzt sich der M5S-Kandidat im Mai sogar mit über 60 Prozent durch. Für die anderen Parteien wird Beppe Grillo spätestens mit diesen Erfolgen zur Schreckensfigur. Am letzten Tag des Wahlkampfs warnen die sonst so zerstrittenen Kandidaten die Wähler unisono vor Grillo.
Grillos Positionen sind einfach und, sagen seine Kritiker, populistisch. Seine Bewegung fordert niedrigere Gehälter für Politiker, weniger Geld für die Parteien und die öffentlich-rechtlichen Medien. Die Arbeitswoche will Grillo auf 20 Stunden verkürzen. Über den Verbleib oder ein Ausscheiden in der Eurozone sollen die Italiener in einer Volksabstimmung entscheiden.
Nicht reden mag Grillo mit den Medien. Die Sender der Rai lehnt er ab, weil sie für die Öffentlichkeit zu teuer seien – und nur dem Parteienproporz in Italien dienten. Das dritte Programm Rai3 will er ganz schließen. Als er bei einer Wahlkampf-Veranstaltung kürzlich von Reportern umringt wird, fragt er einen Kameramann, von welchem Sender er sei. Als sich dieser als Rai3-Mitarbeiter zu erkennen gab, schickte er ihn weg – unter dem Jubel seiner Anhänger.
Diese öffentlichen Veranstaltungen Grillos, zu denen häufig Zehntausende strömen, sind legendär. Von Anfang bis Ende steht der Mann, der so sehr für Bürgerbeteiligung eintritt, dort meist allein am Mikrofon und brüllt: Brüllt seinen Anhängern seine Wut gegen die Parteien und ihre Skandale entgegen, gegen den Staat und seine Geldverschwendung, gegen die Medien und ihre Parteilichkeit.
Dabei vergreift sich Grillo gelegentlich mit seiner Wortwahl. „Die Mafia erstickt uns nicht, der Staat und seinen politischen Parteien schon“, sagt er einmal. Doch auch das ändert nichts daran, dass er bei vielen Italienern punktet, querbeet durch alle sozialen Schichten – und zum Entsetzen der traditionellen Parteien. „Grillo bietet keine Lösungen. Er bietet nur Wut“, sagt die deutsch-italienische Parlamentarierin Laura Garavini.
Im Abgeordnetenhaus stellt Fünf Sterne nun die drittgrößte Fraktion, nach dem Mitte-links-Bündnis von Pier Luigi Bersani und der Mitte-rechts-Allianz Berlusconis. Eine Beteiligung an der Regierung ist aber so gut wie ausgeschlossen: Das würde Grillos Grundsätzen widersprechen, und die anderen Parteien dürften sich darauf nicht einlassen. Somit hat fast jeder fünfte Italiener allein für den Protest gestimmt. Fraglich ist, ob dieses Votum nun verpufft – oder doch eine nachhaltige Wirkung hat.
(c) AFP, 25. Februar 2013