Netzausbau, Erneuerbare und Vergünstigungen für die Industrie
Warum Strom immer teurer wird
Berlin, 15. Oktober (AFP) – Seit Jahren wird Strom für die Verbraucher in Deutschland stetig teurer. Einen Anteil daran hat die heftig umstrittene Förderung erneuerbarer Energien – die Ökostrom-Umlage erhöht sich ab nächstem Jahr um knapp 50 Prozent auf rund 5,3 Cent je Kilowattstunde. Doch der Endpreis für Strom setzt sich aus vielen einzelnen Faktoren zusammen. Dazu zählen unter anderem der Stromeinkauf, die Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben.
Börsenpreis: Der Börsenpreis von Strom gibt einen Hinweis darauf, wie viel es tatsächlich kostet, Strom herzustellen. Hinzu kommt aber immer Spekulation: Denn Strom wird teils lange Zeit im Voraus gekauft. Die Stromeinkäufer spekulieren also darauf, ob Strom langfristig teurer oder billiger wird. Die Energieerzeuger geben den Anteil von Strombeschaffung, Vertrieb und Service am Strompreis mit rund 35 Prozent an.
Netzausbau: Der Betrieb, die Wartung und der Ausbau der Netze werden über die sogenannten Netzentgelte finanziert. Sie machen rund 20 Prozent des Strompreises aus. Steigen dürften die Entgelte in Zukunft, da im Rahmen der Energiewende neue Strom-Autobahnen quer durch Deutschland und mehr Netze über Grenzen hinweg notwendig sind. Hohe Kosten dürften auch für die Anbindung der Meeres-Windparks anfallen. Den hohen Investitionen sollen aber Einsparungen gegenüber stehen: Denn wenn die Netze künftig besser funktionieren, sollen weniger teure Eingriffe der Netzbetreiber zur Stabilisierung nötig sein.
Erneuerbare: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird in Deutschland mit der EEG-Umlage durch fast alle Stromverbraucher finanziert. Das meiste Geld davon fließt in die Förderung von Sonnenstrom, obwohl dieser nur einen Teil der Ökoenergie ausmacht.
Vergünstigungen für die Industrie: Energieintensive Unternehmen genießen eine Reihe Vergünstigungen und können ganz oder teilweise von der EEG-Umlage befreit werden. Das geht allerdings zu Lasten der anderen Stromkunden, da unter ihnen die Kosten für die Förderung der Erneuerbaren aufgeteilt werden. Die Unternehmen sollen durch die Vergünstigungen im internationalen Wettbewerb gestärkt werden. Kritiker merken aber an, dass viele Unternehmen begünstigt werden, die gar nicht mit ausländischer Konkurrenz kämpfen. Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle profitieren in diesem Jahr mehr als 700 Unternehmen von der teilweisen Befreiung von der EEG-Umlage. Für 2013 haben demnach mehr als 2000 Unternehmen einen Antrag darauf gestellt.
Steuern und Abgaben: Mehr als 40 Prozent des Strompreises machen laut Bundesnetzagentur Steuern und Abgaben aus. Zahlen müssen Kunden die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer. Letztere ist auch auf die EEG-Umlage fällig – steigt diese, steigen für den Verbraucher also auch die Kosten für die Mehrwertsteuer. An die Kommunen müssen die Stromkonzerne zudem die sogenannte Konzessionsabgabe für die Nutzung der Infrastruktur zahlen.
Emissionshandel: Um den klimaschädlichen Treibhausgas-Ausstoß zu senken, führte die Europäische Union 2005 den Emissionshandel ein. Dabei erhalten Unternehmen wie Kraftwerk-Betreiber eine bestimmte Zahl Verschmutzungsrechte. Den größten Teil davon bekamen sie bislang kostenlos, nur für einen kleinen Teil mussten sie zahlen. Trotzdem schrieben sie die Verschmutzungsrechte mit ihrem vollen Wert als Ausgaben in ihre Bilanzen – und rechneten diese beim Strompreis mit ein, was diesen in die Höhe trieb.
Wettbewerb: Ein großes Manko in Deutschland ist noch immer der mangelnde Wettbewerb. Zwar buhlen mittlerweile hunderte Anbieter um die Kunden, doch letztendlich beherrschen noch immer vier große Konzerne das Energiegeschäft. Die Verbraucher sind außerdem wenig wechselfreudig: Die meisten Stromkunden haben noch nie ihren Anbieter oder auch nur ihren Tarif gewechselt. Sie alle zahlen deshalb unter Umständen hunderte Euro mehr im Jahr als nötig.
(c) AFP, 15. Oktober 2012