Kampf mit harten Bandagen
Gewerkschaften kritisieren juristischen Druck auf Betriebsräte. Spezialisierte Anwälte bieten ihre Dienste an
Berlin, 13. Februar (AFP) – Die Werbung der Rechtsanwältin im Internet wirkt wie ein Kampfruf: „Bleiben Sie als Arbeitgeber Chef im eigenen Haus! Warten Sie nicht, bis der Betriebsrat Ihr Unternehmen übernimmt!“ Die auf Arbeitsrecht spezialisierte Juristin wirbt damit für ihre Dienste und ihren Newsletter „ArbeitgeberTIPP Betriebsrat“ und verspricht Unternehmern, sie könnten „ein Stück unternehmerischer Freiheit zurückgewinnen“.
Die Gewerkschaften erkennen in solchen Aussagen eine Tendenz: Immer häufiger gingen Arbeitgeber juristisch gegen Betriebsräte vor, um diese einzuschüchtern, erklärt die Rechtsschutz-Gesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Anschuldigungen würden systematisch genutzt, um die Betroffenen zu zermürben. Einige solcher Fälle und das Vorgehen einschlägiger Anwälte beschreibt das am Montag erscheinende Buch „Die Vollstrecker. Wer für Unternehmen Probleme löst“ der Journalisten Christian Esser und Alena Schröder.
In vielen Fällen, kritisieren Gewerkschaften, gehe es gar nicht um die konkrete Arbeit der Arbeitnehmer-Vertreter. Vielmehr würden einzelne Betriebsrat-Mitglieder „systematisch“ unter Druck gesetzt. „Dass die Anschuldigungen oft haltlos sind, ist nicht entscheidend – sondern der Umstand, dass die Betroffenen infolge des zermürbenden Mobbings so erschöpft sind, dass sie irgendwann aufgeben“, sagt Dietmar Hexel, Mitglied im DGB-Bundesvorstand.
Diese Arbeit übernehmen laut DGB „Rechtsanwälte als skrupellose Ratgeber der Arbeitgeber“. Das Vorgehen folge dabei meist ein und demselben Muster, beschreibt Christina Frank von Verdi in „Die Vollstrecker“. Dazu gehöre nicht nur eine juristische Beratung. Ein berüchtigter Anwalt etwa wisse genau, „wie man einem unliebsamen Arbeitnehmer das Leben so zu Hölle macht, dass er schließlich von selbst aufgibt und das Unternehmen verlässt“.
Wie häufig so etwas tatsächlich geschieht, ist schwer nachzuvollziehen. Es gebe wenig empirisch belastbares Material, sagt Andreas Priebe, Betriebsrat-Experte der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung. In Gesprächen mit Betriebsräten gewinne er aber den Eindruck, dass die Zahl der Fälle, in denen „massiver Druck“ ausgeübt werde, zuletzt gestiegen sei. Vielleicht gehe es auch um Angebot und Nachfrage: Die Zahl einschlägig spezialisierter Anwälte sei gestiegen, entsprechen würden ihre Dienste häufiger angeboten und nachgefragt.
Die „Grundfrage“ in solchen Verfahren ist Priebe zufolge häufig: „Wie werde ich unkündbare Arbeitnehmer wie Betriebsräte los?“ Die Unternehmen gingen dann mit Vorwürfen gegen Arbeitnehmer vor, „die einer juristischen Prüfung nicht standhalten“ – die Arbeitnehmer gewinnen die gerichtlichen Verfahren also. „Trotzdem machen solche Prozesse die Betroffenen mürbe, sie tragen den Druck in ihr ganzes Leben, in ihre Familien hinein“, sagt Priebe.
Die Arbeitgeberseite kann eine Zunahme von Streitfällen zwischen Betriebsräten und Unternehmensführungen nicht feststellen. „Wir führen dazu keine Statistiken. Die Beratungen und Anfragen lassen einen signifikanten Anstieg aber nicht erkennen“, sagt der Abteilungsleiter für Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Roland Wolf. „Grundsätzlich läuft die Zusammenarbeit von Betriebsräten und Unternehmen vertrauensvoll, wie das Gesetz es vorsieht.“
Gleichwohl gebe es im Betriebsverfassungsgesetz, das die Arbeit von Betriebsräten regelt, ein „gewisses Blockadepotenzial“, sagt Wolf. Betriebsräte könnten „unsachgemäß die Umsetzung von Entscheidungen blockieren“. Sie könnten etwa Kosten in die Höhe treiben, indem sie Entscheidungen verzögerten.
Die Furcht vor solchen Fällen ist es, von der Anwälte zu profitieren versuchen, wie der Newsletter „ArbeitgeberTIPP“ zeigt: „Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihrem Betriebsrat seine Grenzen aufzeigen und seine Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte auf das Notwendigste reduzieren“, wirbt die Herausgeberin.