Ein kleines Plus macht noch keinen Aufschwung
Die deutsche Wirtschaft wächst wieder leicht. Die Krise ist damit aber nicht überstanden
Berlin, 13. August (AFP) – In der Krise sind auch kleine Hoffnungszeichen willkommen: Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal wieder leicht gewachsen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte um 0,3 Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten dieses Jahres zu. Diese Zahl, die in normalen Zeiten für großes Jammern sorgen würde, macht jetzt Hoffnung – auf ein Ende der Krise. Doch Vorsicht ist geboten, warnt die Politik genauso wie Wirtschaftsforscher: Eine Stabilisierung ließen die Zahlen zwar erkennen, aber Deutschland sei noch weit von seiner alten Wirtschaftskraft entfernt: In der Tat sank das BIP im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal noch um 7,1 Prozent.
Die Zeichen standen schon seit einigen Wochen für eine leichte Erholung der Wirtschaft: Die im Zuge der Krise massiv eingebrochenen deutschen Exporte waren von Mai auf Juni deutlich gewachsen, und auch im verarbeitenden Gewerbe stiegen die Umsätze im Monatsvergleich wieder leicht.
Der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Christian Dreger, ist deshalb zuversichtlich: „Es mehren sich die Anzeichen, dass die Krise vorbei ist“, sagt er. Das bedeute zunächst aber nur, dass sich die Produktion stabilisiere – im Vergleich zu 2008 sei der Einbruch weiter deutlich, vor allem in der Industrie. Der Ökonom Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung ist daher sehr vorsichtig: „Es ist vermessen, von einer Erholung zu sprechen, geschweige denn von einem Aufschwung“, sagt er „Focus Online“.
Deshalb lässt sich auch noch nicht sagen, wie es nun weitergeht. Das leichte Plus verdankt die Wirtschaft vor allem dem deutschen Verbraucher: Er ließ sich seine Kauflaune durch die schlechte Stimmung der Wirtschaft nicht verderben und kaufte nicht nur Autos, sondern zeigte sich auch ansonsten nicht geizig. Die Konsumstimmung war gut, weil die Menschen aufgrund hoher Lohnabschlüsse aus dem vergangenen Jahr mehr Geld hatten und damit dank teils sogar sinkender Preise mehr kaufen konnten. Vor allem aber behielten die meisten Deutschen auch in der Krise ihren Job – dank gelockerter Regeln für Kurzarbeit entließen die Unternehmen bislang kaum jemanden.
Genau das könnte sich aber, trotz leichter Erholung, bald ändern. Denn selbst wenn die Wirtschaft weiter wächst, bleibt sie noch lange unter dem Niveau vor der Krise. „Das hohe
Produktionsniveau von 2008 wurde mit einer bestimmten Beschäftigtenzahl erreicht. Jetzt sind die Lohnstückkosten erheblich angestiegen“, sagt Dreger. Im Klartext: Während die Gehaltsausgaben der Firmen hoch blieben, brachen ihre Einnahmen drastisch ein. Die Frage sei, wie lange die Unternehmen das verkraften können. Der DIW-Konjunkturchef, und mit ihm die meisten Wirtschaftsforscher, sagen: nicht mehr lange. Gegen Ende des Jahres dürften die Unternehmen mit Entlassungen beginnen, auch bei einem leichten Wachstum.
Steigt die Arbeitslosigkeit könnte der Aufschwung wieder ins Stocken geraten. „Weniger Beschäftigung würde bedeuten: weniger Einkommen“, sagt der Konjunkturexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Udo Ludwig, im MDR. „Und weniger Einkommen hieße dann weniger Konsum.“ Entsprechend sieht auch die Wirtschaft das Ende der Krise noch nicht erreicht. Der Weg aus dem Tal werde „lang und holprig“, erklärt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
(c) AFP, 13. September 2009