Training für «eine neue Qualität» des Einsatzes

Kampftruppe für Afghanistan übt in der Lüneburger Heide. Bundeswehr stellt ab Juli die Schnelle Eingreiftruppe

Loheide, 17. März (AFP) – Die Explosion ereignet sich mitten auf  dem Dorfplatz des afghanischen Ortes, als Soldaten dort Brennholz  verteilen. Sofort rücken Schützenpanzer der Schnellen  Eingreiftruppe an und die Angreifer ziehen ab. Es geht alles schnell, reibungslos und unaufgeregt bei bei diesem Einsatz. Kein Wunder: Noch liegt Afghanistan für das Panzergrenadierbataillon 212 inmitten der Lüneburger Heide. Hier, auf dem Truppenübungsplatz Bergen, herrscht derzeit Hochbetrieb. Die Soldaten, die bald die Eingreiftruppe stellen sollen, absolvieren Schießübungen. Im Juni werden sie nach Afghanistan entsandt. Die Truppe stehe dort für «eine neue Qualität» des Einsatzes, sagt der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold.

Mit der Entsendung der sogenannten Quick Reaction Force (QRF) wird der Einsatz der Bundeswehr tatsächlich auf eine neue Stufe gehoben: Erstmals wird die deutsche Armee offiziell nicht nur Aufbauarbeit in Afghanistan leisten, sondern einen Kampfeinsatz führen. Umstritten war in der Diskussion um die QRF deshalb vor allem die Frage, inwieweit die Entsendung mit dem Mandat für den Einsatz in Afghanistan vereinbar ist. Auch deshalb hatte die deutsche Politik zunächst lange versucht, sich gegen die Übernahme der QRF zu wehren. Die letztendliche Zusage für den gefährlichen Einsatz durch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verfolgte dann aber auch ein anderes Ziel: keine Truppen ins umkämpfte Südafghanistan entsenden zu müssen.

In der Bundeswehr wehrt man sich gegen die Darstellung, die QRF stelle eine neue Qualität des Einsatzes dar. Tatsächlich haben deutsche Soldaten vor Ort auch in der Vergangenheit eng mit den norwegischen Truppen zusammengearbeitet, die bislang die QRF stellen. So beteiligte sich die Bundeswehr Ende vergangenen Jahres an der Mission «Harekate Yolo 2». Von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt übernahm der deutsche Kommandeur des Regionalkommandos Nord, Brigadegeneral Dieter Warnecke, damals die Führung dieses Einsatzes, bei dem afghanische Einheiten gemeinsam mit den Norwegern und anderen ISAF-Soldaten gegen Aufständische kämpften. Die Bundeswehr stellte auch Transport, Aufklärung und medizinische Versorgung für die Operation sicher.

Die Aufgaben der QRF in Afghanistan sind breit gefächert. Die Schnelle Eingreiftruppe ist für den Regionalkommandeur der ISAF «frei verfügbar». Sie kann zum Schutz von Konvois und
Veranstaltungen genauso wie für Patrouillen eingesetzt werden. Vor allem soll sie aber überall da bereit stehen, wo es gerade brennt: Werden ISAF-Soldaten oder afghanische Einheiten angegriffen, kann sie zur Hilfe eilen und die Angegriffenen evakuieren oder verteidigen. Aber sie kann «auch bei offensiven Operationen» im Kampf gegen Aufständische eingesetzt werden, wie Brigadegeneral Jürgen Weigt erläutert. Er wird im Juli den Posten des Regionalkommandeurs Nord der ISAF übernehmen.

Solche «offensiven Operationen» sind es, die den Wandel im ISAF-Einsatz in Nordafghanistan deutlich machen. Die Mission «Harekate Yolo 2» sei dabei der «Wendepunkt» gewesen, urteilt die Stiftung Wissenschaft und Politik. Im Fokus der militärischen Aktionen werde nicht mehr das Sichern von Stützpunkten stehen, sondern «gezielte Offensivoperationen». Das macht die Einsätze gefährlicher als bislang, vor allem, da sich die Sicherheitslage in Nordafghanistan schon seit einiger Zeit immer mehr verschlechtert. Für die Soldaten der QRF kommt hinzu, dass sie sich «nicht nur auf eine Herausforderung» einstellen müssen, wie Weigt betont. Die größte Herausforderung sei, «dass sie auf alles vorbereitet sein müssen».

Der Einsatz der QRF bringt allerdings nicht nur eine generell neue Anforderungen für die Bundeswehr mit sich, sondern auch für die einzelnen Soldaten. Bei «Harekate Yolo 2» sollen mehr als 50 Taliban getötet worden sein. Für die QRF heißt das: Mit dem neuen Engagement steigt für die deutschen Soldaten das Risiko – das, getötet zu werden, und jenes, töten zu müssen.

(c) AFP, 17. März 2008