Die Mafia als Imageproblem

Italienische Gastwirte starten Kampagne „Mafia? Nein Danke“. Italiener leiden nach Mafiamorden unter Vorurteilen

Berlin, 21. August (AFP) – Der Sechsfachmord von Duisburg hat  gezeigt: Die Mafia ist auch in Deutschland präsent. Von den in der  Bundesrepublik lebenden Italienern haben allerdings nur wenige mit  ihr zu tun oder werden von ihr bedroht. Trotzdem haben die  Italiener in Deutschland mit der Mafia ein Problem – ein  Imageproblem. Italienische Gastwirte aus Berlin sind deshalb am  Dienstag in die Offensive gegangen: «Mafia? Nein Danke!», steht auf  einen Aufkleber, den sich ab jetzt jeder Restaurant- oder  Ladenbesitzer ins Schaufenster hängen kann. Denn: «Menschen, die  sich der Mafia beugen, sind Menschen ohne Würde», heißt es auf dem  Sticker weiter.

Den Kriminalstatistiken zufolge sind die verschiedenen  Organisationen der italienischen Mafia in Deutschland tatsächlich  nur ein kleines Problem. 2006 führte die deutsche Polizei nach  Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) 26 Ermittlungsverfahren wegen  organisierter Kriminalität gegen «italienische Tätergruppen». Die  Hälfte davon richtete sich gegen Gruppen mit Beziehungen zur  italienischen Mafia. Laut BKA wird Deutschland zumeist aber nur als  Rückzugsraum genutzt – etwa um der italienischen Justiz oder  rivalisierenden Mafiabanden zu entgehen.

Die Aktivitäten der italienischen Mafia in Deutschland  entsprechen nicht unbedingt den Klischees. Schutzgelderpressungen  in Restaurants zum Beispiel sind eher selten. «Restaurants sind  viel zu kleinteilig für die italienische Mafia. Damit kann man  nicht genug Geld verdienen», sagt Bernd Finger, Leiter der  Abteilung Organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität bei der  Berliner Polizei. In nur rund 30 Fällen habe die Polizei 2006 bei  Schutzgelderpressungen von Restaurants in Deutschland einen  «mafiösen Bezug» feststellen können.

Die in Deutschland lebenden Italiener, vertreten durch die Union  der Italiener in der Welt (UIM), schätzen die Zahl der  italienischen Restaurants mit Mafiaverbindungen auf etwa zehn  Prozent; der Verein der italienischen Gastronomen in Deutschland  spricht von nur drei Prozent. Von diesen Restaurants, sagt  UIM-Koordinatorin Laura Garavini, wird teilweise Schutzgeld  erpresst. Sie können aber auch der Geldwäsche dienen oder  Mafiamitgliedern Unterschlupf bieten. «Diese Gefahr müssen wir  erkennen», sagt Gino Tuddu vom Berliner «Café Aroma». «Wir dürfen  sie aber nicht pauschalisieren.»

Das aber passiert, klagen die Gastwirte. Selbst im angesehenen  Berliner Restaurant «A‘ Muntagnola» fragten Gäste nach dem Mord in  Duisburg: «Und wie viel Schutzgeld zahlt ihr?», erzählt der  Besitzer Pino Bianco. Zu leiden hätten aber vor allem die weniger  gehobenen Restaurants, die kleinen Pizzerien, erläutert er. Wer  nach Duisburg zu viele Boulevardzeitungen gelesen habe, traue sich  nicht mehr zum Italiener, klagt Bianco.

Obwohl alle an der Aktion «Mafia? Nein Danke!» beteiligten  Gastwirte betonen, nie ein Problem mit der Mafia gehabt zu haben,  ist es ihnen wichtig, gemeinsam aufzutreten. So wollen sie Stärke  zeigen und sich gegenseitig absichern – falls doch einmal etwas  passiert. «Wir wollen allen von der Mafia Bedrohten sagen: Ihr seid  nicht allein», sagt Bianco.

In Süditalien sei die Mafia gerade deshalb so stark, «weil viele  schweigen und stillschweigend zuschauen», betont Garavini. «Genau  dies wollen wir nicht tun.» Deshalb haben die an der Initiative  beteiligten Restaurants – in wenigen Tagen meldeten sich etwa ein  Dutzend der rund 300 in Berlin – auch einen Aufruf unterschrieben.  In diesem verpflichten sie sich, jeden Versuch einer  Schutzgelderpressung sofort bekannt zu machen.

Mit ihrem offenen Bekenntnis gegen die Mafia wollen die Berliner  Gastwirte die Kampagne nun zunächst auf ganz Deutschland ausweiten.  Noch in dieser Woche plant die UIM eine ähnliche Initiative in  Köln. Letztendlich, hofft Laura Garavini, könnte aus dem Logo  «Mafia? Nein danke!» eine Art Qualitätssiegel: Hier essen Sie  mafiafrei.

(c) AFP 21. August 2007