Teure Sorgenkinder der Bezirke

Für das Räumen wilder Müllkippen fehlt das Geld

Marzahn-Hellersdorf/Lichtenberg-Hohenschönhausen – Die illegale Schutthalde an der Lichtenberger Herzbergstraße 66, die vor einigen Wochen bekannt geworden ist, ist nur die Spitze eines riesigen Müllberges im Nordosten: Mindestens vier weitere Deponien dieser Art gibt es in Lichtenberg-Hohenschönhausen, drei sind es in Marzahn-Hellersdorf. Berlinweit zählte der Senat vergangenes Jahr 37 größere Bauschuttablagerungen. „Nimmt man aber noch die kleineren Deponien hinzu, kommt man auf mehr als 50“, sagt die Abgeordnete Claudia Hämmerling (B 90/Grüne).

Die Geschichte der Bauschutt-Deponien ist fast immer die selbe: Nach Bundesemissionsschutzgesetz dürfen Bauschutt-Recyclinganlagen zwölf Monate ohne Genehmigung betrieben werden. Unter diesen Voraussetzungen wurden Firmen gegründet, die die Verwertung von Baumischabfällen zu Dumpingpreisen anboten. Auf den Lagerplätzen der Betreiber stapelten sich die Abfälle, die Firmen gingen nach zwölf Monaten in Konkurs. Was blieb, sind Schuttdeponien, von denen die meisten noch heute existieren.

Eine Liste des Senats aus dem vergangenen Jahr zählte allein in Lichtenberg-Hohenschönhausen acht Deponien, in Marzahn-Hellersdorf drei größere (siehe Karte). Nach Angaben des Bezirksamtes Lichtenberg- Hohenschönhausen sind vier Deponien inzwischen geräumt.

In jüngster Zeit bekannt geworden ist die Deponie an der Lichtenberger Herzbergstraße: Nach einem Vor-Ort-Termin von Claudia Hämmerling und einer Presseerklärung des Krankenhauses wurde das Bezirksamt nun aktiv. Das bisher frei zugängliche Gelände soll gesichert werden, auch wurden schon Kostenvoranschläge für die Entsorgung des Schuttes eingeholt. Wann der Müll aber letztendlich abgefahren wird, kann niemand sagen.

Anders an der Wartenberger Straße: Dort lagern seit Jahren etwa 40 000 Tonnen Baumischabfälle. Wie an der Herzbergstraße war dort der Unternehmer Harald Ludwig M. aktiv – zwar mit einer anderen Firma, aber mit der selben Masche. M. wurde im Dezember zu knapp vier Jahren Haft verurteilt. Den heutigen Grundstückseigentümer hat das Bezirksamt schon vor längerer Zeit aufgefordert, die Abfälle zu entsorgen, die Frist läuft Ende März ab.

„Bisher ist allerdings noch nichts geschehen“, sagt Andreas Geisel (SPD), Umweltstadtrat in Lichtenberg- Hohenschönhausen. „Wir gehen daher davon aus, dass wir die angedrohte Ersatzvornahme stattfinden lassen müssen“. Ungeklärt ist noch, was mit dem sogenannten „Hof Sieben“ an der Lindenberger Straße 78 und der Deponie an der Lindenberger Straße 24 geschieht.

Für die Bezirke wie auch für das Land Berlin stellen die Schutt-Deponien vor allem ein finanzielles Problem dar. Die ehemaligen Anlagenbetreiber können nicht belangt werden, da sich die Firmen in Konkurs befinden. Nächste Ansprechpartner sind die Grundstückseigentümer – doch die weigern sich meist oder sind ebenfalls pleite gegangen. Die Konkursmasse schließlich gibt – Wenn überhaupt – nur sehr wenig her, keinesfalls aber die Millionenbeträge, die für die Beseitigung der Abfälle gebraucht würden.

Erschwerend kommt hinzu, das oft Schulden auf den Grundstücken lasten. An der Herzbergstraße 66 beispielsweise sollen die Berliner Volksbank und die Pfandkreditbank 14 Millionen Mark Kredite auf das Grundstück gegeben haben, so Bürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS), welches „bei optimistischer Schätzung gerade einmal zwei Millionen Mark wert ist“.

Die Räumung der Grundstücke hat für Umweltstadtrat Geisel daher nicht oberste Priorität, solange keine unmittelbare Gefahr von den Deponien ausgeht. Dafür fehlten schlichtweg die Mittel. Geisel: „Das Geld muss aus der baulichen Unterhaltung kommen, würde dann aber für Schulen und Kitas fehlen. Wir werden also erst abwarten, was die Konkursverfahren ergeben. Wenn sich die Beräumungen dadurch nicht finanzieren lassen, muss eventuell der Senat einspringen.“

Dem Senat wirft das Bezirksamt vor, Schuld an der Misere zu tragen. „Wir wurden beispielsweise nie über den Betrieb der Recyclinganlage an der Herzbergstraße informiert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die für die Kontrolle dieser Anlagen zuständig war, hat sie nicht ausreichend kontrolliert“, kritisierte Friedersdorff am Montag in einem Pressegespräch. Claudia Hämmerling wiederspricht: „Der Senat hat mit Sicherheit mit der Herzbergstraße nichts zu tun gehabt.“

Berliner Morgenpost, 28. Februar 2001