Hiobsbotschaften aus dem eigenen Land

Große griechische Unternehmen verlegen ihren Sitz ins Ausland. Mangelnde Stabilität und fehlende Finanzierung beklagt

Hiobsbotschaften kommen für Griechenland nicht nur von den internationalen Finanzmärkten, sondern auch aus dem eigenen Land. Vergangene Woche kündigten gleich zwei wichtige griechische Unternehmen an, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen. Der Abfüller Coca-Cola Hellenic (CCHBC) zieht in die Schweiz, zudem will er von der Athener Börse an den Aktienmarkt in London wechseln. Der große Milchprodukte-Konzern Fage wiederum geht nach Luxemburg. Ähnliche Überlegungen gibt es auch bei anderen Firmen.

Die Unternehmen sind die Unsicherheit im krisengeschüttelten Griechenland satt: Sie beklagen nicht nur immer dräuende Steuererhöhungen, sondern klagen auch über Schwierigkeiten, in Griechenland das notwendige Kapital für Investitionen zu bekommen. Die Banken des Landes befinden sich infolge des Schuldenschnittes des griechischen Staates in einer schweren Krise und vergeben kaum noch Kredite.

Coca-Cola Hellenic füllt die US-Kultbrause und viele andere Getränke nicht nur für den griechischen Markt ab, sondern versorgt insgesamt 28 Länder – darunter Deutschland, Italien und sogar Nigeria. Die Firma verteidigt ihren Gang in die Schweiz: Der neue Firmensitz bringe Stabilität, sagt CCHBC-Chef Dimitris Lois. „Mehr Stabilität, das ist es, was wir brauchen.“ Sein Unternehmen habe nun bessere Chancen, Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen.

Auch weitere Firmen könnten abwandern: „Ich habe in den vergangenen Wochen mehrere Anfragen von griechischen Firmen erhalten, die sich für die Schweiz als neuen Standort interessieren“, sagt der Präsident der Schweizerisch-Griechischen Wirtschaftskammer, Nikolaos Aggelidakis, dem Schweizer „Sonntag“.

Die griechische Politik aber weiß nicht, wie sie reagieren soll: „Ich kann nicht jedem einzelnen Unternehmen sagen, wie es handeln soll“, sagt der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Kostis Hatzidakis. „Und ich kann unternehmerische Entscheidungen auch nicht mit polizeilichen Maßnahmen beeinflussen.“

Der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, Athanassios Kelemis, kann die Firmenentscheidungen nachvollziehen. „Unternehmen dieser Gattung brauchen Zugang zu großen Finanzmärkten“, sagt er. „Immer mehr institutionelle Anleger ziehen sich aber aus Griechenland zurück. Dadurch fehlt es an Kapital, gerade bei erfolgreichen Firmen.“ Doch Investitionen bestehender Unternehmen seien notwendig, um wieder Wachstum zu erreichen. Derzeit steuert Griechenland auf das sechste Jahr mit einer schrumpfenden Wirtschaft zu.

Auch Kelemis fordert: „Die Regierung muss die Stabilität sicherstellen, etwa bei den Steuern, aber auch im Arbeitsrecht.“ Das Problem seien dabei nicht grundsätzlich Steuererhöhungen im Rahmen der Sparpolitik, sondern eine mangelnde Zuverlässigkeit: „Gift für das Unternehmertum ist die Instabilität: heute so, morgen anders“, sagt der Vertreter der deutschen Wirtschaft in Athen.

Eine Gefahr, dass auch in Griechenland aktive deutsche Unternehmen abwandern, sieht Kelemis aber nicht: „Die deutschen Unternehmen kämpfen hier mit den Gegebenheiten. Aber es gibt keinerlei Anzeichen, dass sie sich aus dem Land zurückziehen wollen.“

Mehr Unterstützung fordert Kelemis aber von Deutschland und den anderen EU-Staaten: „Die deutsche Regierung müsste mehr Solidarität zeigen, ohne darauf zu verzichten, dass Griechenland seine Hausaufgaben macht.“ Die andauernden kritischen Stimmen seien „wie Gift für dieses Land, das versucht, seinen Haushalt in Ordnung zu bringen“, kritisiert der Wirtschaftsvertreter. Die Eurostaaten müssten „die Unsicherheit von den Finanzmärkten nehmen und sagen: Politisch stehen wir zu Griechenland und seinem Reformprozess“.

(c) AFP, 17. Oktober 2012